Idylle gesucht Warum eine junge Familie von Leipzig aufs Land zieht

Lützkewitz - Sebastian Mäder hat ein großes Stück der Welt gesehen, reiste auf der Walz quer durch Europa und Afrika. Jetzt schlägt er ausgerechnet in der Elsteraue Wurzeln - in einer Region, die in den letzten Jahren dramatisch an Bevölkerung verlor, entdeckte er seine Liebe. Der 38-jährige Steinmetz kaufte ein altes Fachwerkhaus in Lützkewitz und gründete eine Familie. So lebt er mit seiner Frau und den beiden kleinen Töchtern hier.

Birte Oltmanns schwärmt: „Die Elsteraue ist herrlich idyllisch“

 

„In 20 Minuten ist man mit der Bahn in Leipzig-Plagwitz und kann sich wieder in das Getümmel der Stadt stürzen“, sagt Mäder. Denn ein bisschen braucht er das Stadtleben, auch wenn sich die junge Familie für das Dorf entschied und das Ländliche liebt. „Die Elsteraue ist herrlich idyllisch“, schwärmt Birte Oltmanns. Zwischen Braunkohlentagebau und Industriepark mäandert die Weiße Elster. Es gibt herrliche Auen und wunderbare Streuobstwiesen. „Ich komme von der Ostsee, genauer gesagt aus Lübeck, und so ein bisschen brauche ich das Leben am Wasser, auch wenn es nur ein Fluss ist“, sagt die diplomierte Sozialpädagogin. Sie hat in Leipzig studiert und lernte hier ihren Mann kennen.

 

Gemeinsam zogen sie aufs Land, ausgerechnet in ein Dorf, das extrem mit Abwanderung zu kämpfen hat. Denn in den vergangenen 15 Jahren verlor Profen jeden vierten Einwohner. Die Zahl der Bevölkerung sank von 1 074 auf 826. Im kleinen Ortsteil Lützkewitz leben heute nur noch 131 Menschen. „Vor allem die großen leerstehenden Bauernhöfe werden immer mehr zum Problem“, sagt Bürgermeister Manfred Meißner. Doch vielleicht gelingt im Sog der aufstrebenden Entwicklung von Leipzig jetzt ein Umschwung. Die steigenden Mietpreise kann sich manche Familie nicht mehr leisten und entscheidet sich für das bezahlbare Leben auf dem Land. Gleich gegenüber zog ein weiteres Ehepaar aus Leipzig ein, ein paar Häuser weiter etabliert sich gerade die zehnköpfige Kommune „Luftschlösser“ und baut eine neue Existenz auf.

Leben in Lützkewitz: Jedes Detail im Haus erzählt ein Stück Geschichte

 

„Ich habe anderthalb Jahre nach dem richtigen Hof für uns gesucht. Das Fachwerkhaus in Lützkewitz war Liebe auf den ersten Blick. Hier atmet die Geschichte“, erzählt der Steinmetz. 280 Jahre alt ist die historische Bohlenstube. „Das Haus hat schon viel erlebt, hier in der Stube wurden Menschen geboren, wie jetzt meine zweite Tochter Valerie“, erzählt der Familienvater. Das Haus stand sieben Jahre leer. Der Giebel drohte zur Straße zu kippen, Holzwurm, Hausbock und Holzschlupfwespen hatten sich über Jahre hinweg in die Balken gefressen, so dass das Holz nicht mehr zu retten war.

 

Mit viel Enthusiasmus saniert der Steinmetz das neue Zuhause. Die alten Balken wurden ersetzt, das Gefache mit Lehm ausgekleidet, der Natursteinsockel neu aufgebaut. „Die Lehmziegel sind über 200 Jahre alt, ich habe sie von einem Abriss in Bad Bibra geborgen“, erzählt er. Jedes Detail im Haus erzählt ein Stück Geschichte. Da trägt das alte Türgewände die Initialen der einstigen Bauherren. Es gibt geschnitzte Schiffchen und Nuten in der Bohlendecke, ein Symbol der Unendlichkeit und des Lebens findet man neben dem Eingang. „Wenn das Haus wieder 300 Jahre halten soll, muss man es mit historischen Baustoffen sanieren, sonst funktioniert es nicht“, erklärt der Handwerksmeister. Doch seinen Beruf als Steinmetz musste er aus gesundheitlichen Gründen an den Nagel hängen. Durch den vielen Baustaub bekam er Probleme mit der Lunge. Diese Erkrankung war ein weiterer Mosaikstein zu seinem ökologischen Denken.

 

Ein beruflicher Neuanfang musste her. Aus diesem Grund eröffnet das junge Paar am heutigen Sonnabend einen Bio- und Naturkostladen in Zeitz, den ersten dieser Art in der Stadt. „In Leipzig, Gera, Jena gibt es schon ein Überangebot an Bio-Läden, deswegen wollten wir nicht dorthin. Es wächst das Bewusstsein der Menschen, sich gesund und ökologisch ernähren zu wollen. Aus diesem Grund sind wir davon überzeugt, dass es auch in Zeitz funktioniert“, sagt Sebastian Mäder. So gibt es am Neumarkt ein breit gefächertes Angebot von Nahrungsmitteln mit Babykost bis Kosmetik. Alle Produkte tragen natürlich ein Bio-Siegel.

 

››Bioladen in Zeitz, Luthergasse 7, am Sonnabend 10 bis 16 Uhr Eröffnung.

 

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